1943, während der Kolonialzeit, gründete der ehrwürdige Bruder Marc Wallenda Stanislas die Schule Saint Luc, in Gombe-Matadi, in der heutigen Provinz Zentralkongo, dem ehemaligen Bas-Congo. 1949 siedelte die Schule nach Léopoldville um, dem heutigen Kinshasa, und wurde in der Folge zur Akademie der bildenden Künste. Bamba Ndombasi vertritt die Auffassung, zwar habe Bruder Marc sein Werk auf den Prinzipien des Respekts des angeborenen Talents und der aus der Innenwelt des afrikanischen Menschen geschöpften Inspiration begründet, und somit eine sehr reiche Tradition bewahrt, doch habe er in pädagogischer Hinsicht seinen Schülern nahegelegt, sie nicht sklavisch zu kopieren, und sich auch von fremdländischen Vorbildern freizumachen. In seiner kleinen Bildhauerschule in Gombe-Matadi, im Bas Congo, entdeckte Bruder Marc Wallenda Stanislas gemeinsam mit seinen Schülern aufs Neue, dass die Natur die reichste, nie versiegende Quelle der Inspiration ist. So wurde eine Art von idealisiertem Realismus zum Markenzeichen seiner Schule.1
Über mehrere Jahre hinweg ging von dieser Schule ein Ansatz kreativen Schaffens aus, der sich durch eine Mischung von moderner europäischer Kunst, vor allem seiner stilisierenden Komponenten (Pablo Picasso, Modigliani, Constantin Brâncuși, Henry Moore etc.), und der neoklassischen Kunst auszeichnete, wie sie in den Akademien der westlichen Welt im 19. Jahrhundert gepflegt wurde, und die auf dem Naturalismus gründete.2
Heute ist die Akademie der Bildenden Künste von Kinshasa offen für einige der “neuen künstlerischen Medien”, bewahrt dabei jedoch grundsätzlich seinen oben geschilderten Anspruch einer klassischen Lehranstalt.3 Diese Einrichtung, die in mehreren großen Abteilungen strukturiert ist4, bietet einen Ort für die Auseinandersetzung mit den visuellen Künsten, sie stellt eines der maßgeblichen Foren für die Sichtweisen und Widersprüche dar, die die gegenwärtig auf der nationalen und internationalen Kunstszene präsenten kongolesischen Stilrichtungen und Künstler antreiben.
Es sei erwähnt, dass eine große Zahl ehemaliger Absolventen nach ihrem Studium häufig dazu neigen, das klassische pädagogische Konzept anzuprangern, nach dem sie dort unterrichtet wurden, auch wenn sie dabei die Grundlagen ihres Berufes vermittelt bekamen. Zwei von all den rebellischen Kunstbewegungen, die von ehemaligen Studenten dieser Schule ausgegangen sind, haben die Kunstszene von Kinshasa zwischen den späten 1990er und den frühen 2000er Jahren nachhaltig geprägt: „Librisme“ und „Eza Possible“. Sie haben in die Szene Kinshasas neue zeitgenössische Kunstformen eingebracht, etwa Performances, Installationen, Fotografie, Videokunst.
Es sei gesagt, dass seit der Kolonialzeit, über die Jahre der Präsidentschaft Mobutus hinweg bis heute unabhängig von der Académie des Beaux-Arts im Kinshasa autodidaktische Künstler in Hülle und Fülle auf den Plan getreten sind: der heute weltweit anerkannte Chéri Samba, und in seinem Gefolge eine ganze Reihe von „Chéris“: Chéri Chérin, Chéri Benga, die Maler Moke, Bodo, etc. Deren für das Publikum unmittelbar verständliche Bildsprache hat ihnen den Status von „populären Künstlern“, oder „Watistes“ eingetragen… mit leichter Hand beleuchten sie die Unzulänglichkeiten in allen Lebensbereichen des Landes.5
- BAMBA, N. K.: « L’art moderne en confrontation avec l’art congolais », Kinshasa, Cellule de recherche Académie des Beaux-arts de Kinshasa. S.46-47.
- KAMBA, J. : « L’évolution des arts plastiques congolais et le vocabulaire de jeunes artistes de Kinshasa », in : Annales 7 ABA, Kinshasa, n7 (Januar 2019), S.117-118.
- KAMBA, J.: « Towards an Open Approach or a Dead Letter », in: Magazine C&, 28. Juli 2016, veröffentlicht online: www.contemporaryand.com/magazines/ (1. Juli 2020).
- Bildende Künste: Malerei, Bildhauerei, Keramik, Metall, Schmiedekunst, Restaurierung und Konservierung / Graphische Künste: Innenarchitektur, Visuelle Kommunikation; demnächst auch Abteilungen für Fotografie und Design.
- KAMBA, J. : « L’évolution des arts plastiques congolais et le vocabulaire de jeunes artistes de Kinshasa », in : Annales 7 ABA, Kinshasa, n7(Januar 2019), S.118.