In „Zurück ins Land der Geburt“ findet sich dieses Gebet, das Aimé Césaire als kraftvoll bezeichnet; ein an sein Herz gerichtetes Gebet, in dem gleich einer unheilvollen Geißel ein unscheinbarer Satz steht, dessen Nachhall jedoch wohl jedem Künstler, der ihn las und der sich vom vorgebrachten Anliegen angesprochen fühlte, immer gegenwärtig bleiben wird: „Macht aus mir den Bewahrer seiner Verbitterung.“ Es ist dies die Verbitterung jener, die bei der Rassisierung der Völker auf die unterste Sprosse einer Leiter gesetzt wurden von einer erobernden, verherrlichten, weltbeherrschenden westlichen Welt, der ganz selbstverständlich die oberste Sprosse dieser Leiter zukam, ihrer eigenen Leiter. Wie die vieler kolonisierter Länder ist die Geschichte des Kongo vor allem die von Individuen, die in die Beschränkungen eines Vorhabens gepresst wurden, das nicht das ihre war, Individuen, die man der arabisch-muslimischen Versklavung entzog, nur um sie einer subtileren Versklavung zu unterwerfen, der der Kolonisierung. Weiterhin bleiben sie fronpflichtig, man schlägt ihnen die Hand ab, wenn sie nicht genügend gearbeitet haben, ihre schwangeren Frauen schlitzt man auf, ihre Töchter werden zur Warnung vor aller Augen aufgespießt, wenn sie dem neuen Herren nicht genügend eingebracht haben. In dessen Augen sind sie ja nichts weiter als funktionale Körper, die lediglich auf dem durch sein Vorhaben bestimmten Gebiet von Nutzen sind, als Körper, Werkzeuge, Sklaven, Dinge…
Aktueller Bezug: Denkmalsturz
Unlängst wurde ein Standbild des Leopold II von Belgien, das unter der Herrschaft von Mobutu abgebaut worden war, aus dem Staub geborgen wie viele andere koloniale Denkmäler auch, gereinigt und wieder aufgestellt. Und zwar am Mont Ngaliema, dem Ort, wo die Geschichte des Kongo als Staat ihren Anfang nahm. Ihm wurde, wie auch anderen historischen Persönlichkeiten, eine Büste in Lubumbashi errichtet, in der Provinz Haut-Katanga. Der Kongo ist sein Land, und die, die es heute noch führen, stehen in seiner Nachfolge, sind seine vermeintlichen Epigonen. Die kongolesische Politik ist vor allem eine Bühne der Macht und Unterwerfung, der Verherrlichung und Treueschwüre, der Ausbeutung und Bereicherung. Eben das war das Vorhaben Leopolds: zu unterwerfen, auszubeuten, sich zu bereichern und in Stein, in Schrift, in der Erinnerung der Welt verherrlicht zu werden. Dies ist der Kongo, und seine Geschichte ist nicht die meine, so wie ich sie sehe. Ich bin kein kongolesischer Künstler, denn die Geschichte, die Staatsraison und die nationalen Gepflogenheiten dieses Landes, in dem ich mich befinde, erscheinen mir derart armselig, dumm, verlogen, dreist und ungerecht in einer Art und Weise, die mir recht bald die Notwendigkeit und die Pflicht vermittelt haben, sie zu überwinden und hinter mir zu lassen.
Institutioneller Rassismus und Dehumanisierung
In der Folge des rassistischen Mordes an dem Amerikaner George Floyd, getötet von einem Polizisten in einem Vorgehen gegen einen schwarzen, so häufig in diesem Land herabgewürdigten Körper, dem systematischen, institutionalisierten Vorgehen eines Staates, der auf eben dem Prinzip der Zerstörung und Unterwerfung all jenes gründet, was nicht weiß noch christlich ist, wurden in mehreren europäischen und amerikanischen Städten Standbilder, die der Geschichte der Sklaverei und Kolonisierung verbunden sind, beschädigt oder gestürzt.
Zahlreiche Bürger, die in einem historischen Widerstreit mit den nationalen Geschichten dieser Länder stehen, mit deren vergangenem Ruhm als Sklavenhalter und Kolonisatoren, entschieden sich direkt für die Schändung des Gedenkens der Hauptakteure dieser Geschichten. Sie fordern Gerechtigkeit in Geschichtsschreibung und Gedenken. Und darüber hinaus womöglich eine vollständige Entrassisierung einer Welt, die gegründet ist auf dem Gedenken der Entmenschlichung des Restes der Welt, im Namen des vergangenen politischen Glanzes von Imperien, in Namen auch der Geschäfte, des Profits und einer universellen „Ideologie“.
Entweihung und Utopie
Für viele Künstler der kongolesischen Szene gibt es weniger ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Staat, als vielmehr das Gefühl, der Brutalität des Aufbaus, des Erhalts und des Funktionierens dieses Staates ausgesetzt zu sein. Insoweit verbindet ihre Geschichte sich mit der vieler Angehöriger von Völkern, die einst unterworfen wurden, deren Menschsein verleugnet, unterdrückt, gezähmt, ausgebeutet, verschlissen, beschädigt wurde, um schließlich im Strom des Abfalls einer künstlich erschaffenen Welt entsorgt zu werden. Es ist dies die Geschichte der Institutionen.
Diese Künstler sind, wie Césaire sie nennen würde, die Verwahrer vergangener und heutiger Verbitterung, und meist hinterfragen ihre Arbeiten die Politik, und zwar weit über Kritik an staatlichen Institutionen hinaus. In weltumspannender Vielfalt ästhetischer Einflüsse und konzeptioneller Ansätze geht es ihnen um Entweihung, um Perspektiven, um Überwindung, es geht ihnen um Utopien.
Text: Sinzo Aanza
Künstlerisches Statement von Thembo Kash zu der Antirassismus-Debatte:
„Ich weiß nicht, ob wir es eine Revolution nennen sollten, aber eine Tatsache ist unbestreitbar: Die westliche öffentliche Meinung wacht auf und erhebt sich, um ihre Stimme mit der der diskriminierten Minderheiten zu vereinen.
In der Vielzahl der Erscheinungsformen, die wir in der ganzen Welt sehen, gibt es eine Konstante: Es ist ein Schmelztiegel der Menschen, der in einem Ausbruch brüderlicher Solidarität gegen einen unterschwelligen Rassismus aufschreit, der verschiedene Bereiche unserer sogenannten modernen Gesellschaft vernichtet. Der Appell der Demonstranten ist unwiderruflich: Die Völker der Welt wollen ein neues Kapitel aufschlagen und sich mit der Geschichte versöhnen und die suprematistischen Theorien aller Art umdrehen.
Ohne allzu optimistisch sein zu wollen, glauben wir, dass der lange Marsch zu einer harmonischen Koexistenz gerade erst begonnen hat. Unsere Gewissheit ist, dass wir den Beginn eines neuen Bewusstseins unter den Völkern der Welt zugunsten unserer Bereitschaft sehen, einen neuen, humaneren Kodex zu schreiben. Die Menschlichkeit der anderen anzuerkennen ist eine zukunftsweisende Perspektive der geistigen Evolution, der Sublimierung unserer eigenen Identitäten und der Komplementarität.“
Gastautor in diesem Beitrag: SINZO AANZA